Kevin Bales: Die neue Sklaverei.
München: Verlag Antje Kunsmann, 2001
(Auszüge)
Die neue Sklaverei
Im Sommer wird das ländliche Frankreich seinem Ruf vollauf gerecht. In einem kleinen, etwa hundertfünfzig Kilometer von Paris entfernten Dorf sitzen wir im Freien; die leichte Brise weht den Duft nach Äpfeln aus dem Obstgarten nebenan zu uns herüber. Ich bin hierher aufs Land gefahren, um mich mit Seba zu treffen, einer erst vor kurzem befreiten Sklavin: eine hübsche, lebhafte Zweiundzwanzigjährige. Doch als sie mir ihre Geschichte erzählt, zieht sie sich immer mehr in sich zurück, raucht hektisch, zittert unkontrollierbar. Und dann kommen die Tränen.
Ich wurde in Mali von meiner Großmutter aufgezogen. Als ich noch ein kleines Mädchen war, ist eine Frau gekommen, die meine Familie gekannt hat, und hat sie gefragt, ob sie mich mit nach Paris nehmen kann, damit ich mich dort um ihre Kinder kümmere. Sie hat meiner Großmutter erzählt, dass sie mich auf eine Schule schicken und dass ich Französisch lernen würde. Aber als ich nach Paris gekommen bin, hat sie mich nicht in die Schule geschickt. Den ganzen Tag über habe ich arbeiten müssen. In dem Haus, das ihnen gehört hat, habe ich die ganze Arbeit gemacht; ich habe geputzt, gekocht, mich um die Kinder gekümmert und das Baby gebadet und gefüttert. Jeden Tag habe ich schon vor 7 Uhr morgens angefangen; ungefähr um 11 Uhr abends war ich fertig; einen freien Tag habe ich nie gehabt. Meine Herrin hat gar nichts getan; sie hat lange geschlafen, und dann hat sie ferngesehen oder ist ausgegangen. Weiterlesen →
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