Der Zottelhund

12. DezDer Zottelhund

Der kleine Engel ritt weiter und weiter und weiter.

Einmal übernachtete er in einem alten Köhlerhäuschen mitten im Wald. Er hatte es sich gemütlich gemacht. Im Herd flackerte ein Feuer, der Esel stand in der Ecke und fraß das Heu, das der Köhler im Sommer eingebracht hatte, und Hatschi kaute an einem alten Stück Brot, das in der Tischschublade liegen geblieben war.

Draußen schneite es. Ab und zu krachte ein Ast zu Boden, weil die Schneelast zu schwer für ihn geworden war.

Sonst war es still.

Auf einmal hörte Hatschi ein leises Kratzen an der Türe. Weil Engel eigentlich immer mutig sind, machte er gleich auf.

Draußen stand ein völlig durchfrorener, zotteliger Hund. Er war grau. Seine Augen blitzten wie die Sterne am Winterhimmel und sein Schwanz war lang und buschig.

»Komm herein!«, forderte ihn der kleine Engel freundlich auf.

Der Hund legte sich vor das Feuer und leckte sich die wunden Pfoten.

»Was machst du denn in so einer kalten Nacht draußen?«, fragte ihn Hatschi.

»Frieren«, knurrte der Hund.

»Und warum bist du deinem Herrn davongelaufen?«

»Ich habe keinen Herrn mehr.«

»Du bist ein armer Hund«, bedauerte ihn der kleine Engel. »Jetzt, wo Weihnachten vor der Tür steht, hast du kein zu Hause.«

»Bleib mir bloß weg mit Weihnachten«, sagte der Zottelhund wütend.

»Aber warum denn?«, fragte ihn Hatschi und legte noch etwas Holz auf das Feuer.

»Ich bin schon so oft an Weihnachten verschenkt worden, dass ich mich gar nicht mehr darauf freue.«

»Verschenkt!«, rief der kleine Engel verwundert. »An wen?«

»Als ich kaum acht Wochen alt war, schenkte mich ein Vater seinen Kindern. Zuerst freuten die Kinder sich ja. Sie schleppten mich mit sich herum, fütterten mich mit Weihnachtsplätzchen, bis ich Bauchweh bekam, und hängten mich an eine Leine, um mit mir spazieren zu gehen. Sie zerrten mich durch den hohen Schnee, der sich in meinem Fell festklebte, und als ich wieder in die Wohnung zurückkam und der Schnee schmolz, entstanden lauter Pfützen unter meinen Pfoten. Das störte die Mutter der Kinder. Sie brachte mich gleich in das nächste Tierheim.«

»Ach je«, seufzte Hatschi. »Das hat den Kindern sicher Leid getan.«

»Sie haben geweint, aber als ihnen die Mutter an meiner Stelle zwei Meerschweinchen kaufte, waren sie wieder getröstet.«

»Und wie ging es weiter?«

»Am nächsten Weihnachtsfest schenkte mich ein junger Mann seiner Freundin. Sie kaufte mir ein rotes Halsband und führte mich im Park spazieren. Dort durfte ich dann auch meine Häufchen hinterlassen. Aber bald kam ein Parkwächter und befahl dem Mädchen, dass sie das, was ich im Park hinterließ, wegräumen musste. Das war ihr peinlich in ihrem schönen Sonntagskleid. Deshalb entschloss sie sich schnell, mich wieder zurückzugeben. Mir war himmelangst vor dem nächsten Weihnachtsfest. Doch dieses Mal traf ich es ganz gut. Ein junger Mann brachte mich seiner Mutter. Ich bekam schrecklich viel zu fressen bei ihr und wurde ziemlich dick. Im Winter strickte sie einen Pullover, den sie mir anzog, wenn es draußen kalt war. Er war so warm, dass ich immerzu hecheln musste. Aber ich mochte die alte Frau. Leider starb sie nach kurzer Zeit. Da kam ich zum dritten Mal ins Tierheim zurück.«

»Und was geschah dann?«, fragte Hatschi.

»Das war erst vor ein paar Wochen«, erzählte der Zottelhund. »Und weil bald wieder Weihnachten ist, bin ich schnell davongelaufen. Ich will nicht noch einmal verschenkt werden. Ich will mir meinen Herrn selbst aussuchen.«

»Wie wäre es mit dem Christkind?«, schlug Hatschi vor und streichelte dem Hund über das Zottelfell. »Das Christkind feiert an Weihnachten Geburtstag. Da bist du herzlich eingeladen. Vielleicht gefällt es dir bei ihm. Es freut sich bestimmt über einen Spielgefährten wie dich.«

»Ich konnte mir denken, dass mir das gefällt!«, bellte der Zottelhund, und weil er es in der Köhlerhütte sehr gemütlich fand, wollte er da bleiben, bis es Zeit war, auf das Fest zu gehen. Doch der kleine Engel hatte noch zwölf Wandertage vor sich. Er durfte nicht trödeln. Deshalb kletterte er am anderen Morgen wieder auf den Rücken des Esels, verabschiedete sich von dem Hund und ritt weiter.

Hund

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